Liedergeschichte: Das vergessene Kleid. Heißa, Kathreinerle
Erinnerungen haben ihren ganz eigenen Zauber. Manchmal liegen sie verborgen und tauchen plötzlich wieder auf. In unserer Geschichte wird ein altes Kleid zum Tor in die Vergangenheit. Beim Lesen spürt man, wie Erinnerungen lebendig werden und Generationen miteinander verbinden.
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Das vergessene Kleid
Katharina war oben auf dem Dachboden. Sie versuchte, etwas Ordnung ins Chaos zu bringen. Wie in jedem Jahr. Meist sah es nach den Aufräumtagen immer ganz ordentlich aus. Übers Jahr kamen aber immer wieder neue Sachen dazu, die nach oben geräumt wurden. Und so begann das Ordnungmachen dann immer wieder vom Neuen. Wer kennt das nicht…
Katharina nahm sich vor, dieses Mal in einer anderen Ecke als sonst anzufangen. Sie öffnete Kisten, sortierte Dinge und trennte sich von dem oder anderen Teil, das sie schon lange nicht mehr gebraucht hatte. Warum war dieses Sich-von-etwas-trennen nur immer so schwer?
Sie schwelgte in Erinnerungen. Jedes für sich war ein besonderes Puzzlestück aus ihrem Leben und gehörte zu ihr. Sie war dankbar, so viele Puzzleteile haben zu dürfen.
Katharina öffnete einen Karton, den sie weit hinten in einem Regal gefunden hatte. Er war vergilbt. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, was da drin sein könnte. Vorsichtig zog sie den Deckel ab.
Dünnes Papier schützte den Inhalt. Sie klappte es vorsichtig zur Seite. Hervor kam ein Stoff aus hellblauer Spitze. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Hand darüber.
Heißa, Kathreinerle, schnür dir die Schuh,
Schürz dir dein Röckele, gönn dir kein Ruh.
Di-dl, du-dl, da-dl, schrum, schrum, schrum,
Geht schon der Hopser rum,
Heißa Kathreinerle, frisch immer zu!
Die Erinnerungen kamen wie Blitze in einem starken Gewitter. Bilder über Bilder tauchten nacheinander auf. „Meine Güte…“, hauchte sie. Katharina nahm den Stoff aus dem Karton. An die Spitze reihte sich hellblaue Seide. Ein bisschen Chiffon schaute unter dem Saum hervor. Ihr Tanzkleid.
„Wie viele Jahre mag das her sein?“ sie setzte sich auf die Holztruhe, die hinter ihr stand. Ihre Hand glitt über das ganze Kleid. Sie berührte jede aufgestickte Perle einzeln. So saß sie da. Ganz in Ruhe und schwelgend in Erinnerungen. Sie bemerkte gar nicht, wie Lara, ihre Enkelin hochkam und sich neben sie setzte. „Was für ein traumhaft schönes Kleid!“
Katharina sah sie überglücklich an. „Ja, oder? Es war so viele Jahre mein Lieblingskleid.“
„Aber“, Lara guckte fragend, „wann hast du das denn getragen? In der Schule doch nicht, oder?“
„Nein, mein Kind: Auf den Tanzabenden hier im Dorf.“ Katharina strich wieder über das Kleid. „Wir haben uns jeden Freitagabend getroffen.“
„Du hast getanzt, Oma?“
„Ja… in diesem Kleid habe ich mit die schönsten Stunden meines Lebens erlebt. Ich war Anfang zwanzig. So jung und voller Energie und Lebensfreude. Alle jungen Leute aus dem Dorf haben sich an diesen Abenden getroffen. Es kamen sogar Tanzfreudige aus den Dörfern rundum.“
„Und was habt ihr da gemacht?“
Katharina musste schmunzeln. „Naja, wir haben getanzt. Walzer, Foxtrott, Cha-Cha-Cha, Rumba…”
Dreh wie ein Rädele flink dich zum Tanz!
Fliegen die Zöpfele, wirbelt der Kranz.
Di-dl, du-dl, da-dl, schrum, schrum, schrum,
Lustig im Kreis herum
Dreh dich, mein Mädel, im festlichen Glanz.
Katharina schaute das Kleid an. „Aber es war nicht nur das Tanzen. Es war dieses Gefühl von Freiheit. Von unter seinesgleichen sein. Wir waren alle in einem ähnlichen Alter, hatten dieselben Ängste, ähnliche Träume. Ich weiß noch, dass ich das Gefühl liebte, wenn das Kleid sich bei einer Drehung um meine Beine legte.“
„Konntest du denn gut tanzen?“
„Ich glaube, ja“, Katharina lächelte verlegen. „Ich habe sogar mal an einem Wettbewerb teilgenommen und gewonnen. Aber darum ging es mir nie. Ich liebte die Gemeinschaft und die Musik…“
Lara guckte ihre Oma bewundernd an. Sie konnte es nicht fassen, dass sie sie erst jetzt von einer ganz anderen Seite kennenlernte.
Katharina erzählte und erzählte. „Ich weiß noch, dass es in einem Sommer so heiß war, dass wir im Garten getanzt haben. Ohne Schuhe. Ohne Strumpfhosen. Das war etwas ganz Besonderes. Das hätte ich meinen Eltern nie erzählen dürfen.“ Sie lächelte ihre Enkelin an. „Ja, mein Schatz… so war das.“ Sie hielt das Kleid in die Höhe.
„Möchtest du es nochmal anziehen, Oma? Das passt doch noch…?“
„Nein, mein Kind. Die Zeiten sind vorbei. Es sind die Erinnerungen, die bleiben. Und die bleiben mir für immer.“
Lara bemerkte, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten.
Sie hielt Lara das Kleid hin. „Möchtest du es mal anprobieren?“
Lara schluckte. Sie war gerührt. „Darf ich?“
Katharina lächelte stolz. „Es wäre mir eine Ehre!“
Heute heißt’s lustig sein, morgen ist’s aus.
Sinket der Lichter Schein, geh’n wir nach Haus.
Di-dl, du-dl, da-dl, schrum, schrum, schrum,
Morgen mit viel Gebrumm
Fegt die Frau Wirtin den Tanzboden aus.
„Gerne.“ Lara gab ihrer Oma einen Kuss auf die Wange. „Ich nehme es gleich mit runter, da ist ein Spiegel. Aber vorher könntest du mir noch eine oder zwei Geschichten von den Tanzabenden erzählen, die du deinen Eltern verschwiegen hast…“ Sie zwinkerte Katharina zu.
Katharina lächelte glücklich und befreit. „Hm, wo fange ich da nur an…“
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