„Herzmusik“ – Ein Konzertangebot für Menschen mit Demenz

Im Gespräch mit Anja Renczikowski

Herzmusik
Foto: Egbert Trogemann

 

Hallo Frau Renczikowski, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich habe Musikwissenschaften studiert und arbeite als Musikjournalistin für verschiedene Magazine und für das Radio WDR3. Zudem betreue ich verschiedene Projekte bei den Duisburger Philharmonikern. Dort veranstalten wir seit Dezember 2012 das Projekt „Herzmusik“ – Konzerte für Menschen mit Demenz.

 

Das Projekt „Herzmusik“ ist ein Konzertangebot für Menschen mit Demenz und ihre Begleiter. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?

Die Idee zum Projekt „Herzmusik“ entstand während meiner Weiterbildung zur Kulturgeragogin – ein Angebot des Instituts für Bildung und Kultur und der Fachhochschule Münster. Während der Weiterbildung begann das Pilotprojekt zur Kulturteilhabe von Menschen mit Demenz durch neue Ansätze der Musikvermittlung mit dem Titel „Auf Flügeln der Musik“. Dort nahmen unter anderem das WDR Sinfonieorchester Köln, die Deutsche Kammerakademie Neuss und die Jazzschmiede Düsseldorf teil. Für die Duisburger Philharmoniker begannen wir in diesem Rahmen mit „Herzmusik“. Zunächst mit einem begleiteten Konzertbesuch für kleinere Gruppen von bis zu 16 Personen. Dazu luden wir Menschen mit Demenz im Frühstadium und ihre Angehörigen in die Kammerkonzertreihe „Profile“ der Duisburger Philharmoniker ein. Gemeinsam mit den Musiker und den Verantwortlichen im Haus haben wir überlegt, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, damit sich diese spezielle Besuchergruppe wohl fühlt und weiterhin am kulturellen Leben der Stadt Duisburg teilnehmen kann. Dabei dachten wir zunächst an die Konzertbesucher, die vielleicht schon seit vielen Jahren die Konzerte der Duisburger Philharmoniker besuchen – nun aber durch die Erkrankung und die veränderten Lebensumstände sich unter Umständen nicht mehr trauen, ein ganz „normales“ Konzert zu besuchen. Da wir schnell festgestellt haben, dass die Nachfrage sehr groß war, haben wir dann ein weiteres Konzertangebot entwickelt. Diese Konzerte finden zwei bis drei Mal pro Saison statt. Dieses Angebot ist ausschließlich für Menschen mit Demenz und ihre Begleiter/Angehörige konzipiert.

 

Was erwartet die Zuschauer? Was macht „Herzmusik“ zu etwas Besonderem?

Musik kann bei Menschen mit Demenz häufig einen Zugang finden, wo Sprache ihn nicht mehr findet. Sie spricht bei allen Menschen Emotionen ganz unmittelbar an und kann verbliebene Ressourcen wachrufen. Musik findet den Weg unmittelbar zum Herzen der Zuhörer. Daher bieten die Musiker der Duisburger Philharmoniker in der Saison 2013/2014 ein besonderes Musikprogramm für Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und Wegbegleiter an. Sowohl bei dem begleiteten Konzertbesuch als auch beim speziell konzipierten einstündigen Konzert versuchen wir, die Besuche so angenehm und einfach wie möglich zu gestalten. Das bedeutet, es gibt Hilfestellung beim Ankommen vor dem Konzert. Die Gäste werden in Empfang genommen und wir begleiten sie zu den Plätzen. Musiker und Hauspersonal sind informiert und helfen. Bei der Auswahl der Musik achten wir darauf, dass es nicht zu lange Stücke sind und dass das Programm möglichst abwechslungsreich ist. Zwischendurch erzähle ich etwas und versuche eine bestimmte Atmosphäre oder Stimmung zu erzeugen.

 

Musik ist ein wichtiges Element in der Betreuung und im Leben von an Demenz erkrankten Menschen. Was macht die Musik zu etwas so Besonderem?

Sie kann Erinnerungen wach rufen und spricht die Gefühle unmittelbar an. Viele Besucher waren regelmäßige Konzertbesucher und es ist schön, Ihnen und ihren Angehörigen die Möglichkeit zu geben, weiterhin klassische Musik zu hören. Andere entdecken die Musik ganz neu. Oft gibt es Erinnerungen an das eigene Musizieren. Bei beiden Konzertangeboten geht es auch darum, Stimmungen und Atmosphäre zu erzeugen. Bei einem Konzert mit dem Titel „Summer Music“ ging es beispielsweise um Erinnerungen an den Sommer, Spaziergänge im Grünen und all das, was man damit in Verbindung bringen könnte. Bei den begleiteten Konzertbesuchen machen wir auch immer etwas „Erinnerungsarbeit“. Zum 100. Geburtstag des Theaters Duisburg haben wir uns u.a. eine Bildersammlung des Theaters aus allen Jahrzehnten angeschaut. Da ging es dann weniger um die Musik als vielmehr um etwas Stadtgeschichte. Wo hat wer gewohnt, wann ist man das erste Mal ins Theater gegangen. Wie war das damals? Wie hat man sich angezogen und was war das Besondere daran?

 

An wen kann man sich wenden, wenn man gerne an der “Herzmusik” teilnehmen würde?

Die Anmeldung läuft über mich als Konzertgeragogin. Da dieses Angebot kostenfrei ist, möchten wir zum einen Überblick habe, wie viele Gäste kommen und wer kommt, d.h. wie viele Plätze wir für Rollstühle und Rollatoren einplanen müssen und wer eventuell mit einem Kleinbus ankommt. Die Anmeldung folgt telefonisch oder via Email.

 

Ein weiteres Angebot der Duisburger Philharmoniker ist der „Profile“ – Konzertbesuch. An wen richtet sich dieses Angebot?
(Termine am Sonntag, 21. Juni 2015 um 10h im Theater Duisburg)

Dieses Angebot richtet sich an Betroffene, die noch „mobil“ sind (da die Konzerte im Opernfoyer stattfinden und man ein paar Treppen bewältigen muss) und für die ein Konzertbesuch von ca. 1,5 – 2 Stunden nicht zu lang und zu anstrengend ist. Außerdem möchten wir hier auch insbesondere die Angehörigen/Begleiter einbinden und für alle ein schönen Konzertbesuch ermöglichen. Wir treffen uns eine Stunde vor dem Konzert um 10.00 Uhr und sitzen bei Kaffee, Tee und Gebäck erst einmal zusammen. Dann erzähle ich etwas zur Musik oder wir haben ein bestimmtes Thema (wie oben erwähnt „Summer Music“ oder „100 Jahre Theater Duisburg) um eigene Erinnerungen wach zu rufen, ein wenig zu erzählen und ins Gespräch zu kommen. Dann gehen wir gemeinsam ins Konzert. Es sind Plätze am Rand für uns reserviert, so dass – falls es mal notwendig – man schnell nach draußen kann. Das ist aber noch nie vorgekommen. Nach dem Konzert kommt dann ein Musiker/in zu uns und es gibt die Möglichkeit Fragen über die Musik oder das Instrument zu stellen. Das wird immer sehr gut angenommen, sowohl von den Betroffenen als auch von den Angehörigen. Da ich diesen Besuch alleine betreue und auch ein persönliches Gespräch möglich sein soll, besteht die Gruppe aus bis zu 16 Teilnehmern.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit der „Herzmusik“ erreichen können?

Bei zwei „Herzmusik“-Konzerten haben wir an die Angehörigen/Begleiter einen Fragebogen verteilt. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. So wurde berichtete, dass der ein oder andere „mitgesummt“, „mitgewippt“ hat, obwohl er oder sie sonst sehr zurückgezogen ist. Andere Kommentare waren „Meine Mutter hatte ein Strahlen in den Augen“ oder spontane Erinnerungen: „Das Instrument habe ich auch mal gespielt!“. Das gemeinsame Abschlusslied kommt besonders gut an.

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Das wir die Herzmusik-Konzerte auch in Zukunft weiterführen können, weil es einfach schön ist zu sehen, wie die Musik berührt und ein paar schöne Stunden beschert.

 

Herzlichen Dank, Frau Renczikowski!!!

Zur Internetseite: http://duisburger-philharmoniker.de/Konzerte/herzmusik/

 

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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