22. Im Sommerwald. Morle auf Abwegen

Ein alter Kater fühlt sich auf einmal wieder jung. Aber ob das gut geht? Lesen Sie heute das nächste Kapitel unserer kostenlose Geschichte “Im Sommerwald”.

Morle auf Abwegen

Früh am nächsten Morgen kitzelte ein Sonnenstrahl den Kater an der Nase und er wachte auf. Er nieste, putzte sich das Näschen und erhob sich langsam. Morle reckte und streckte sich, machte einen Katzenbuckel, setzte sich hin und begann sich ausgiebig zu waschen. Von wegen Katzenwäsche! Um ein strahlendes schwarzes Fell zu haben, musste man schon mindestens dreimal am Tag sich einer ausgiebigen Wäsche von mindestens einer halben Stunde unterziehen.

Als er die Morgenpflege beendet hatte, trank er etwas Wasser. Er hätte auch gerne jetzt sein Frühstück gehabt, aber Frauchen schlief noch, also musste er warten. Der Magen knurrte aber schon ein bisschen. Früher, als er noch jung und wild war, hatte er ja nicht darauf gewartet, dass jemand seinen Futternapf füllte. Niemals! Das wäre über seine Katerehre gegangen! Früher fing er sein Futter selber. Hier mal ein Mäuschen, da mal ein Vögelchen. Da gabs kein Dosenfutter! Alles war immer frisch und saftig!

Hmm, er könnte es ja nochmal probieren. Immerhin, er war doch immer noch ein ganzer Kerl. Also los! Auf zum Beutezug!
Aber welche Beute wäre die einfachste? Die nicht so mir-nichts-dir nichts davonrennen oder -fliegen würde? Morle sprang auf das Fensterbrett und schaute sich um. Sein Blick wanderte zur Buche hinüber. Genau! In der Buche piepste es ganz schön laut. Da war noch ein Nest mit kleinen Vögelchen drin. Viel Fleisch war ja nicht an so einem kleinen Vogel, aber lecker wäre er allemal. Und man müsste sich ja nicht auf einen Vogel beschränken.

Morle sprang vom Fensterbrett hinaus in den Garten. Ups, das knirschte aber schon etwas in den Gelenken! Der Kater ließ sich aber nichts anmerken und stolzierte hocherhobenen Hauptes durch den Garten. Dem doofen Rehkitz gönnte er keinen Blick und Bello sowieso nicht. Er zwängte sich an einer Stelle im Zaun durch. Er zwängte und zog und zwängte und uff – der Bauch war auch durch. Das man diese Zäune aber auch immer so eng baute. Dann schlich er bis zur Buche, schärfte seine Krallen an ihrem Stamm und drehte eine Runde um den Baum.

Ja, da oben war ein Nest. Da wollte Morle jetzt hin. Er sprang an den Stamm und zog sich ein Stück hoch. Noch ein kleines Stück und noch ein Stückchen und er hatte einen Zweig erreicht. Uff, ganz schön anstrengend! Der Kater ruhte sich einen Moment aus, schaute, wie er näher an das Nest kommen könnte und kletterte weiter die Buche hinauf. Das Zwitschern der Vögel war verstummt, man hörte nur noch das Piepsen der Vögelchen im Nest, dem er immer näher kam. Morle ruhte sich auf dem nächsten Ast aus und warf einen Blick nach unten. Oh, er war wirklich schon ein ganz schönes Stückchen von der Erde entfernt. Die Zweige wurden auch immer dünner. So, jetzt noch bis zum nächsten Ast und dann wäre er schon fast beim Nest.

Morle kletterte noch ein Stückchen. Er zog sich an einem Zweig hoch, aber der wackelte doch sehr unter dem Gewicht des Katers. Immer wenn er sich nur kurz bewegte, schwang der Ast auf und nieder. Das war sehr unangenehm. Morle traute sich nicht vor und nicht zurück. Aber er konnte von hier schon das Nest mit den vier süßen Vögelchen sehen. Doch er konnte kaum auf dem Ast stehen, geschweige denn balancieren. Dafür bog er sich zu sehr nach unten. Ob er einfach ein Stückchen springen sollte? Anlauf konnte er aber nicht nehmen. Die Vogelkinder lockten ihn aber zu sehr. Morle sprang. Er schlug seine Krallen in den Stamm und rutschte runter. Er rutschte und rutschte und konnte sich zum Glück auf einen anderen Zweig retten. Da saß er nun. Nach oben kam er nicht und nach unten auch nicht. Was sollte er jetzt tun?

Diese Sommergeschichten von Hans und Grete sind bisher bei Mal-alt-werden.de erschienen:

  1. Ein warmer Sommerabend
  2. Die Buche und ihre Mieter
  3. Die Fuchsjungen erkunden den Wald
  4. Das Abenteuer geht weiter
  5. Ein Mäuschen ist plötzlich allein
  6. Grete kocht Erdbeermarmelade
  7. Hans baut einen Meiler
  8. Feuer!
  9. Waldspaziergang mit Hund
  10. Das Findelkind
  11. Ein neues Zuhause
  12. Ein Gartenzaun muss her
  13. Buntes Treiben in der Buche
  14. Bienen
  15. Ein süßes Geschenk
  16. Der Retter in der Not
  17. Der Hühnerdieb
  18. Ein guter Plan
  19. Eine neue Freundin
  20. Das Unwetter
  21. Himbeersirup

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Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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