Werkstatt der Generationen-

Anke Könemann im Gespräch.

Ein Interview mit Anke Könemann.

 

Gründungsmitglied und Projektleitung Werkstatt der Generationen (WdG) an der integrativen Montessori Volksschule an der Balanstraße in München

 

Hallo Frau Könemann, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

 

Gerne. Mein Name ist Anke Könemann, ich bin verheiratet und wir haben eine Tochter. Von Beruf bin ich Psychotherapeutin, Trainerin und Dolmetscherin und seit 2007 im Projektleiterin der Werkstatt der Generationen. Seit 2006 sind mein Mann und ich Teil des Gründungsteams der integrativen Montessori Schule an der Balanstraße.

 

Was genau verbirgt sich hinter der Werkstatt der Generationen?

 

Die Werkstatt der Generationen (WdG) ist fester Bestandteil unserer 2008 gestarteten Integrativen Montessori Schule an der Balanstraße. In unsere Schule ist das Miteinander der Generationen eine Art neues „Schulfach“. Jede Woche, in jeder Klasse und auch nachmittags kommen Menschen ab 55 Jahren ehrenamtlich in Schule und Hort, um dort gemeinsam mit den Schüler/innen Gespräche, Aktionen und Projekte durchzuführen. Das geht vom gemeinsamen Kochen, über Kunstprojekte bis hin zu Medienprojekten oder dem Bau einer Seifenkiste.

 

Die ältere Generation bringt sich, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Leidenschaften in den Schulalltag ein. Umgekehrt lernen die Älteren von den Schüler/innen, oder man erschließt sich gemeinsam neue Themenbereiche. Durch diese gemeinsamen Aktivitäten ist das Miteinander von Alt und Jung wieder normaler Bestandteil des Alltags. Ein Miteinander, dass ganz alltagsnah Vorurteile abbaut und gegenseitiges Interesse und Verständnis stärkt. Nebenbei wird auch der Gedanke des Ehrenamtes bzw. des bürgerschaftlichen Engagements „gelebt“, denn unsere „Wdler/innen“ zeigen ja bei jedem Besuch, dass man sich – unabhängig vom Alter – einbringen und Dinge mitgestalten kann. Dies entspricht ja auch sehr dem Montessori-Gedanken von „Hilf mir es selbst zu tun.“, für dessen Umsetzung wir als Schule insgesamt und bei der Generationenarbeit den sicheren Rahmen schaffen.

 

Das konkrete Engagement der „älteren Generation“ geschieht in ganz unterschiedlicher Form und wird immer von hauptamtlichen Pädagogen/innen begleitet. Inzwischen engagieren sich bereits mehr als 65 Ältere in der WdG, die Tendenz ist steigend! Im Vorfeld wird gemeinsam geklärt, in welcher Form, wie oft und wie lange sich die Mitmacher/innen einbringen möchten – von einmaligen Besuchen bis hin zu Monats- oder sogar Jahresprojekten als  „Senior-Experten/innen“. Inhaltlich ergeben sich durch das breite Erfahrungs- und Wissensspektrum der älteren Generation enorm viele unterschiedliche Möglichkeiten des Miteinanders.

 

Seit wann gibt es die Werkstatt der Generationen und wie kam es zu der Idee sie ins Leben zu rufen?

 

Als Schulgründer/innen mit damaligen Kindergartenkindern haben wir im Jahr 2006 mit der ersten Planung begonnen. Bereits bei den ersten Treffen kam ganz pragmatisch das Thema Generationendialog auf, denn einige von uns Gründereltern hatten Großeltern vor Ort, die sich während der Gründungstreffen um ihre Enkel gekümmert haben und einige nicht. So kamen wir ins Gespräch darüber, wie schön es wäre, wenn auch heute noch mehr Familien diesen engen und unterstützenden Generationenverbund leben könnten, oder wie es sich an anderer Stelle ergeben könnte, dass Alt und Jung zusammenkommen und voneinander lernen und profitieren. Sehr schnell haben wir dann beschlossen, dass wir diesen Gedanken in unserer neuen Schule aufnehmen und ganz alltagsnah umsetzen möchten. Da in Bayern jede Schule,  die sich in privater Trägerschaft gründen möchte, über ein „Alleinstellungskriterium“ verfügen muss, also etwas, dass  sie als „Besonderheit in die Schullandschaft einbringt“, hat sich an dieser Stelle sogar unser Wunsch nach Generationendialog mit Genehmigungsanforderung gedeckt. Die Werkstatt der Generationen war also von Anfang an konzeptionell dabei und ist mit dem ersten Schultag im September 2008 Wirklichkeit geworden.

 

Sie haben letztes Jahr den „GenerationendialogPreis gewonnen“. Warum haben Sie sich beworben?

 

Wir haben das Projektbüro „Dialog der Generationen“ 2010 im Rahmen eines anderen Wettbewerbs (der Körber-Stiftung in Hamburg) kennen und auch sofort sehr schätzen gelernt, da uns sein praxisorientierter Ansatz sehr entgegenkommt und unterstützt. Dieser Ansatz hat sich für uns auch in der Ausschreibung und im Schwerpunkt des GenerationendialogPreises gezeigt und uns sehr motiviert, uns im Jahr 2011 zu bewerben. Die zu beantwortenden „Bewerbungsfragen“ zeigten sehr deutlich, dass der Wettbewerb tatsächlich nicht Ergebnisse und Projektverläufe auszeichnen sondern darauf eingehen und auch transparenter machen möchte, was alles vor und hinter den Kulissen von Alt-Jung Projekten wichtig, notwendig und auch manchmal anstrengend ist. Diese Haltung von „wissen wollen, wie der Alltag der Generationenprojekte aussieht und was er benötigt“,  haben wir als sehr wertschätzend empfunden und die Beantwortung der diversen Fragen hat uns selbst auch noch vieles klarer sehen lassen.

Schön war ebenfalls das Gefühl, dass wir mit unserer Bewerbung ja auch bereits aktiv etwas zu einem besseren Verständnis von Projektabläufen beitragen können. Dass wir dann den GenerationendialogPreis tatsächlich gewonnen haben, hat uns natürlich sehr gefreut und ist eine Auszeichnung, die wir als große Anerkennung empfinden.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die verdeutlicht was Ihre Projekte erreichen?

 

Im Rahmen unserer Werkstatt der Generationen hat eine sehr aktive „Seniorin“, die ausgebildete Erzählerin ist, in Eigenregie ein umfassendes Jahresprojekt entwickelt und durchgeführt: die Erzählwerkstatt. Hier hat sie jede Woche in eine Klasse eine Person der älteren Generation eingeladen, die einen irgendwie interessanten beruflichen Werdegang hatte. Diese eingeladene Person hat jeweils kurz aus ihrem Berufsleben erzählt und dann wurde gemeinsam mit den Schüler/innen rund um das Erzählte „szenisch gestaltet“. Eine Puppendoktorin hat mitgebrachte Puppen repariert, ein Trambahnschaffner hat die Fahrtsituation nachspielen lassen oder ein Kunstschlosser hat mit den Kindern kleine Arbeiten durchgeführt. Mehr als 30 Berufs- und Lebenswege wurden so vorgestellt und diese Stunden waren immer für alle Beteiligten sehr anregend und lebendig.

 

Ungeplant gab es in diesem Projekt dann noch mehr sehr positive Auswirkungen. Es hat sich zum einen gezeigt, dass die Schüler/innen so tatsächlich mit ungemeinem Interesse weitaus mehr „Berufskunde“ gemacht haben, als dies vom Lehrplan gefordert gewesen wäre. Dabei haben sie auch erfahren, dass sehr viele Lebenswege der Älteren, bedingt durch Krieg und andere Umstände, sehr „kurvig“ verlaufen sind – doch eigentlich immer mit einem guten Ausgang. Das hat die Schüler/innen sehr ermutigt und gezeigt, dass nicht immer alles gleich perfekt laufen muss oder kann. Zum anderen, und das finde ich sehr berührend, waren fast alle Gäste der älteren Generation anfangs unsicher, ob „sie denn überhaupt noch als Mensch und mit ihren beruflichen Erlebnissen interessant sind“. Das ehrliche und große Interesse der Schüler/innen hat sie erstaunt, erfreut und dann in ihrem Selbstwert ganz klar gestärkt. Eine Seniorin drückte es so aus: „Ich habe hier eines erfahren: ich bin also immer noch gefragt. Das habe ich nicht mehr geglaubt und dies hier zu erleben ist ganz wunderbar.“

 

Intergeneratives Arbeiten birgt auch Konfliktpotentiale. Was sind Ihre Tipps für erfolgreiche intergenerative Projekte?

 

Ganz klar, auch Projekte,  in denen unterschiedliche Generationen zusammenkommen, sind „konfliktgefährdet“ – wie alle Projekte, in denen viele Menschen gemeinsam aktiv sind. Das gehört eben zu jedem lebendigen und sich entwickelnden Projekt dazu.

Intergenerationelle Projekte haben in sich dann sicher noch einige Besonderheiten:

 

–    oft leben sie vom bürgerschaftlichen Engagement, also kommen Ehrenamt und Hauptamt zusammen
–    die ehrenamtlich Tätigen sollten durch eine gute Anerkennungskultur „honoriert“ werden
–    Ehrenamt und Hauptamt, wie auch Jung und Alt, haben oft ein unterschiedliches Tempo, dies gilt es zu berücksichtigen
–    die verschiedenen Anschauungen und Lebensmodelle von Alt und Jung erfordern einen sicheren organisatorischen Rahmen, damit sich

darin ein Miteinander inhaltlich gut entwickeln kann.

Ich finde es hilfreich, möglichst früh bei der Planung einige grundlegende Punkte zu bedenken und offen zu klären, wie zum Beispiel:

 

•    Wer will das Projekt – wer vielleicht nicht?
•    Welche Einwände gibt es gegen ein Projekt und was könnte dahinter stehen?
•    Was sind die konkreten Erwartungen aller Beteiligten?
•    Welche „Funktion“ sollen die Menschen der jeweiligen Generation erfüllen?
•    Arbeiten die Menschen der älteren Generation rein ehrenamtlich?
•    Welches Volumen des Engagements ist angedacht?
•    Wer ist verlässlicher Ansprechpartner für alle Beteiligten?
•    Wer übernimmt die organisatorischen Aufgaben?
•    Wer kann bei Konfliktsituationen moderieren, vermitteln, etc.?

•    Welche Mittel (personell, zeitlich, finanziell) stehen zur Verfügung?

 

Dieser letzte Punkt ist ungemein wichtig und entscheidet oft darüber, wie zufriedenstellend die anderen Punkte behandelt werden können. Es ist elementar, dass eine tragfähige Finanzsituation geschaffen werden kann, denn sonst sind alle Beteiligten schnell über ihre Grenzen belastet und damit auch immer konfliktanfällig.

 

Diese Gedanken hören sich vielleicht recht trocken an, doch wenn sie für alle zufriedenstellend geklärt sind, dann ist schon einmal eine gute Basis geschaffen und die Energie ist frei für das gemeinsame Projekt.

 

Für uns war darüber hinaus sehr hilfreich, dass wir von Anfang an alle Beteiligten um Offenheit und direkten Austausch, gerade auch bei Problemen, gebeten haben. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht, wie auch damit, dass man bei aller Planung dann doch einfach auch schon klein loslegen kann, um zu erleben: es kommen doch immer irgendwie die richtigen Menschen zusammen.

 

Welche Zukunftspläne haben Sie?

 

Wir sind mit der Schule und damit auch mit der Werkstatt der Generationen immer noch in der Aufbauphase und es wird sich noch viel tun – organisatorisch wie auch inhaltlich.

 

Auf der organisatorischen Ebene gibt es auch bei uns den Punkt „Finanzierbarkeit“. Wir arbeiten also intensiv daran,  noch mehr Unterstützer/innen und Sponsoren für die Werkstatt der Generationen zu gewinnen.

 

Inhaltlich möchten wir mittel- und langfristig, in der WdG den Generationendialog noch ausweiten. Unserer Schüler/innen sollen neben den Generationenprojekten mit sogenannten „aktiven Älteren“ auch erfahren, dass das Alter manchmal sehr wohl andere Seiten, Anforderungen und auch Härten mit sich bringen kann. Daher möchten wir uns, nachdem sich die WdG insgesamt ja sehr gut etabliert hat, nun ergänzend dem Thema Demenz und anderen Einschränkungen des Alters zuwenden. Der erste Kontakt von Schüler/innen mit hochbetagten und/oder dementen Senioren/innen wurde bereits mit Besuchen und Singen in einer Tagespflege und im Altenservice Zentrum aufgenommen und soll in den nächsten Schuljahren gefestigt werden. Diesen Weg werden wir jedoch in kleinen Schritten und begleitet von Menschen gehen, die sich in diesen Bereichen wirklich gut auskennen, damit auch für diese Generationenkontakte ein sicherer Rahmen gewährleistet ist.

 

Herzlichen Dank, Frau Könemann!!!

 

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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Einen wunderschönen guten Tag Frau Könemann!
    Ich finde die Idee der Werkstatt der Generationen genial. Ich selber bin in mehreren Heimen in Henningsdorf tätig und auch dort haben wir etwas ähnliches. Zu uns kommen einmal die Woche die Schüler der angrenzenden Gesamtschule im Rahmen einer AG vorbei, um sich mit den Senioren bei uns zu treffen und gemeinsam mit ihnen Spiele zu spielen.
    Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg für ihr Projekt!
    Liebe Grüße,
    Denise Hansen

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