Von Kaffeemühlen und Omas Kuchen-

Ulrike Strätling schreibt Geschichten für Demenzkranke

Ulrike Strätling schreibt Geschichten für Demenzkranke.

 

Hallo Frau Strätling, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich heiße Ulrike Strätling,  bin 60 Jahre alt und  gelernte Erzieherin. 10 Jahre habe ich meine demenzkranke Mutter in unserem Haushalt betreut und gepflegt.  Seit nun eineinhalb Jahren begleite ich meine Mutter  in einem Seniorenheim, auf ihrem letzten Lebensabschnitt.

Ich schreibe mit großer Freude seit vielen Jahren Geschichten zum Vorlesen für demenzkranke Menschen und ich lese diese Geschichten gerne in Seniorenheimen und auf anderen Veranstaltungen vor.

 

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Geschichten für Demenzkranke schreiben?

Die ersten Geschichten sind vor ca. 9 Jahren, am Bett meiner Mutter entstanden. Sie war am Abend immer sehr deprimiert und ich machte es mir zum Ritual, sie mit schönen Geschichten abzulenken. Doch bald schon verstand sie die Tiermärchen (die sie immer gerne gehört hatte) nicht mehr. Sie regte sich auf, weil sie die Zusammenhänge nicht mehr begriff, sie verstand vieles falsch, sie schimpfte und alles wurde nur noch schlimmer. Außerdem waren diese Geschichten zu lang, zu kompliziert und einfach nicht mehr geeignet.

Ganz spontan erzählte ich Episoden aus ihrer Vergangenheit. Ich kannte aus ihren eigenen Erzählungen, Geschichten aus ihrer Kinder und Jugendzeit und ich nahm diesen „Aufhänger“ und formte daraus eine Geschichte. Schon bald merkte ich, dass diese Geschichten nicht nur ein guter Unterhaltungsfaktor waren, sondern auch eine sinnvolle Beschäftigung. Ich setzte die Geschichten in den verschiedensten Situationen ein, zur Ablenkung bei Depressionen, bei aggressivem Verhalten, wenn sie traurig war oder auch nur um sie zum Lachen zu bringen. Oft durchbrach ich die starre Maske, mit der sich meine Mutter umgab. Ich drang wieder zu ihr durch und es tat ihr gut. Und wenn sie dann lachte, dann lachte sie wirklich. Ich hatte  jeder Zeit das Gefühl, sie mit diesen Geschichten würdevoll zu begleiten und zu unterstützen.

 

 

Was unterscheidet Geschichten für Demenzkranke von anderen Geschichten?

Sie sind kurz. Es gibt nur klare und verständliche Sätze. Keine komplizierten Handlungen. Die Geschichten beinhalten Geschehnisse die dem Demenzkranken nicht fremd sind. Sie vermitteln das Gefühl; aha das kenne ich!

Kurz um, ein Erlebnis mit ein oder zwei Personen, lustig verpackt, mit guten Ausgang in 5-7 Minuten Länge.  Geschichten mit Sinn und Hintergrund, die dem Demenzkranken ein vertrautes Gefühl vermitteln und ihm sagen: Du bist ein vollwertiger Mensch!

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die verdeutlicht was Sie mit Ihren Geschichten erreichen?

Ich könnte viele Erlebnisse schildern, doch das würde den Rahmen sprengen.

Einmal las ich in einer kleinen Gruppe vor. Noch bevor ich gehen wollte, verschwanden meine Bücher. Ein Gast hatte sie sich unter den Arm geklemmt und wollte sich damit fortschleichen. Als ich nach dem Grund fragte, sagte er: „Ich will die Bücher unter mein Kopfkissen legen, dann träume ich heute Nacht die Geschichten noch einmal.“

Ich wusste in diesem Augenblick, dass ich mein Ziel erreicht hatte.

Doch das Beste waren die Glücksmomente, die ich bei meiner Mutter zaubern konnte. Sie war diejenige die als erste meine Geschichten zu hören bekam. Und da ich ihre eigene Vergangenheit ansprach, wurde sie auch dementsprechend motiviert, zu erzählen und zu lachen. Das waren für mich die schönsten Augenblicke.

 

War „Als die Kaffeemühle streikte“ ihr erstes Buch?

Ganz zu Anfang bot ich die ersten Geschichten 3 Verlagen an. Absagen!  Man wollte lieber Märchenbücher drucken, da es schwierig wäre, Demenzkranke mit Geschichten zu erreichen. Ich ließ mich nicht beeinflussen, da ich selber genug positive Erfahrung hatte und druckte die Geschichten selber. So entstand ein Eigenverlag, der bald Erfolg hatte. Doch die Pflege, der Haushalt und vieles mehr, ließ mich nach einigen Jahren bei einem Verlag nachfragen (per E-Mail) ob vielleicht Interesse besteht.

So entstand „Als die Kaffeemühle streikte“ und „Omas Kuchen ist der beste“ im Brunnen Verlag. Es ist ein toller Verlag!

 

Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Geschichten?

Ich weiß es auch nicht so genau. Die Ideen kommen ganz spontan und oft in den unmöglichsten Situationen und gerade dann habe ich meistens nichts zum schreiben dabei. So ist es meistens!  Manchmal sind es auch Anekdoten die mir Bewohner eines Hauses erzählen, oder auch im Bekanntenkreis und oft ist es immer noch meine Mutter, die mir den Stoff zum Schreiben gibt.

 

An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit und was haben Sie für Zukunftspläne?

Gerade abgeschlossen ist das 3. Buch. Ein wundervolles Weihnachtsbuch mit Geschichten die zum größten Teil aus Erzählungen vieler Senioren entstanden sind. Es erscheint im August diesen Jahres (2012) und heißt „Das schönste Lebkuchenhaus“. Geschichten, Legenden, alte Gedichte und Lieder werden den Demenzkranken viel Freude bereiten und ihre Erinnerungen aufleben lassen.

Zurzeit arbeite ich an einem 4. Buch. Wenn alles gut geht erscheint es Anfang 2013.  Gedächtnistraining in Form von Geschichten. An Bewegungsabläufe die im Alltag wichtig, nötig und nützlich sind zu erinnern, um die Lebensqualität  und die Selbstständigkeit so gut wie möglich, zu erhalten.

Ich habe noch einige Projekte im Kopf, vielleicht auch mal etwas ganz anderes, aber mehr verrate ich nicht!

 

Herzlichen Dank, Frau Strätling!!!

 

zur Internetseite von Ulrike Strätling

 

 

 

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

Das könnte dich auch interessieren …

3 Antworten

  1. lesley sagt:

    ICH KANN ES NUR BESTÄTIGEN, DIE BÜCHER SIND TOLL UND KOMMEN BEI DEN BEWOHNERN SUPER AN !!

    BITTE SCHREIBEN SIE WEITER FRAU STRÄTLING.

  2. Karin sagt:

    Ich liebe das Buch, da ich mich über die Freude der Bewohner im Seniorenheim freue. Es stimmt, dass die Senioren sich wieder erkennen. Schön, dass es jetzt noch mehr Bücher gibt. Ich wollte Sie schon bitten, weiter zu schreiben. So schnell können Wünsche in Erfüllung gehen. Viel Glück und Spaß beim Weiterschreiben, Frau Strätling.

  3. lilly sagt:

    Die Bewohner lieben es, wenn ich ihnen aus Ihren Büchern vorlese.Sie lachen herzlich oder werden auch nachdenklich und erinnern sich.
    Es ist immer eine wunderschöne Stunde für die Bewohner im Seniorenheim.

Schreibe einen Kommentar zu Karin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert