Medikamentenabhängigkeit im Alter

Medikamente

Der Begriff Medikament kommt aus dem lateinischem von „medicamentum“, was soviel bedeutet wie „Heilmittel“, welches den Sinn und Zweck von Medikamenten auch schon sehr treffend beschreibt: Die Heilung von Krankheiten und die Linderung von Beschwerden. Bei Medikamenten wird die Bedeutung des bekannten Satzes von Paracelsus: “All Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist.” besonders deutlich. Medikamente sind, im Gegensatz zum Alkohol, nicht verzichtbar. Sie gehören zu unserem Leben und wir müssen mit ihnen umgehen. Die Medikamentenabhängigkeit (auch im Alter) entwickelt sich meist schleichender als eine Alkoholabhängigkeit und wird von den Betroffenen selten als Krankheit empfunden. Eine Vielzahl verschiedener Substanzen birgt dabei ein Abhängigkeitspotenzial.

Dabei warten diese Mittel mit einer sehr unterschiedlichen Bindekraft auf. Mit Bindekraft ist dabei das Ausmaß gemeint, in dem das Medikament den Konsumenten auf sich fixieren kann. Geprägt ist sie durch die erlebte psychische Wirkung und durch scheinbare soziale Vorteile (zumindest anfänglich). Des Weiteren spielt die Akzeptanz der sozialen Umgebung eine wichtige Rolle bei der Bindekraft, welche bei Medikamenten insgesamt recht hoch ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Substanz eine umso größere Bindekraft besitzt, je mehr der Konsumierende sich den psychischen Effekt wünscht und das Mittel leicht zu bekommen ist. Wenn mehr rechtliche, gesundheitliche und soziale Konsequenzen drohen, sinkt die Bindekraft hingegen. Mit der Stärke der Bindekraft des Medikamentes sinken die Aussichten auf eine positive Prognose der Medikamentenabhängigkeit (auch im Alter).

Schon seit jeher verwenden Menschen Stoffe pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs sowohl für medizinische als auch für religiöse Zwecke. Dabei scheinen schmerzlindernde und berauschende Mittel auch schon immer ohne einen derartigen Hintergrund Anwendung gefunden zu haben. Auch einige der heute illegalen Drogen hatten ihre Anfänge als Medikament. Heutzutage werden die meisten Medikamente synthetisch hergestellt. Neben den gewollten Wirkungen haben viele Medikamente unerwünschte Nebenwirkungen. Eine sorgfältige Diagnose; Planung und Kontrolle der Behandlung ist für einen sinnvollen Gebrauch von Medikamenten erforderlich.

Zu dieser Planung sollte auch das Bedenken der Nebenwirkung „Medikamentenabhängigkeit (auch im Alter)“ gehören. In welchen Fällen muss sie wirklich in Kauf genommen werden, weil die Auswirkungen der Krankheit bzw. die Beschwerden schlimmer sind und in welchen Fällen gibt es sinnvolle Alternativen? Zu den meist verordneten Medikamenten im Alter zählen Hypnotika, Sedativa und Tranquillantien. Hypnotika sind Schlafmittel wobei der Übergang zu den Sedativa fließend ist. Letztere werden vor allem eingesetzt, um tagsüber eine Beruhigung der Patienten herbeizuführen. Tranquillantien werden verordnet um Spannungs- und Angstzustände zu reduzieren. Sie werden auch eingesetzt um bei schweren somatischen Erkrankungen, vor operativen Eingriffen oder bei einem Alkoholentzug eine Sedierung herbei zu führen. Die Wirkstoffe dieser Gruppen sind dabei insgesamt ähnlich. Relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem die der Benzodiazepinfamilie angehörigen Medikamente. Auf sie fällt der größte Teil der verordneten Psychopharmaka.

Im Jahr 1960 kamen die ersten Benzodiazepine als Schlafmittel auf den Markt. Die heute verfügbaren Mittel unterscheiden sich durch die Schnelligkeit in der die Wirkung eintritt, durch die Wirkdauer, in der Weise der Metabolisierung und in der Halbwertszeit1. Alle verfügbaren Mittel sind verschreibungspflichtig und entfalten ihre Wirkung, indem sie Einfluss auf die Neurotransmitter nehmen. Dies erfolgt über die Abschirmung von Rezeptoren im Gehirn, welche dazu führt, dass Ängste und Krämpfe gelöst werden und eine einschläfernde Wirkung eintritt Zehn bis siebzehn Prozent der Menschen in Deutschland nehmen innerhalb eines Jahres mindestens einmal ein Medikament zu sich, welches Benzodiazepin enthält. Ein bis zwei Prozent der volljährigen Bevölkerung nehmen ein solches Mittel täglich mindestens ein Jahr lang zu sich.

Seit jeher sucht der Mensch nach Wegen um Schmerzen zu lindern. Auf Grund eines Mangels an Alternativen und durch eine starke, sowie effektive Wirkung sind Opioide und Opiate seit 1806 die wichtigsten Medikamente bei der Therapie starker Schmerzen. Opioide werden allerdings hauptsächlich von Abhängigen illegaler Drogen missbraucht und nicht von den Patienten, welche sich in einer Schmerztherapie befinden. Ursprünglich wurden Opiate aus Schlafmohn gewonnen, welcher vormalig im Mittelmeergebiet seine Heimat hatte. Von dort gelangte der Schlafmohn wahrscheinlich im achten Jahrhundert über die Türkei und Pakistan reisend nach Indien und China. Daraus ergibt sich, dass der Mohn heutzutage hauptsächlich in diesen Gebieten (Türkei, Iran, Indien, Afghanistan, Pakistan bis Südost-Asien) angebaut wird. Wie beim Bier geht man auch beim Schlafmohn davon aus, dass ihn bereits die Sumerer und Ägypter viertausend Jahre vor Christi Geburt mit seiner Wirkung kannten. In die chinesische Medizin gelangte der Mohn durch Schmerzmittel, nachdem man angefangen hatte die Pflanze zu kultivieren. In China führte das im siebzehnten Jahrhundert in Mode gekommene Opiumrauchen zu Suchtproblemen in weiten Teilen der Bevölkerung. Staatliche Gegenmaßnahmen wurden in Angriff genommen. Schließlich führte ein verhängtes Einfuhrverbot im neunzehnten Jahrhundert zu den „Opiumkriegen“. In diesen gelang es vor allem Großbritannien sich gegen das Handelsverbot durchzusetzen. Erst im Jahr 1906 gelang es China den Anbau einzuschränken und den illegalen Anbau mit strengen Strafen zu belegen. Hundert Jahre, bevor dies durchgesetzt werden konnte, gelang es einem Apotheker in Deutschland Morphin3 zu isolieren. Bei den im deutsch-französischen Krieg damit behandelten und innerhalb der Ärzteschaft selbst kam es bald zu einer hohen Anzahl an Abhängigkeitserkrankungen. Bis heute ist es nicht zufriedenstellend gelungen Medikamente zu finden, welche die gleiche schmerzstillende Wirkung aber eine geringere (oder keine) Abhängigkeitsentwicklung zeigen. Eines der Medikamente, welches mit dieser Intention zum Beispiel entwickelt wurde, war Heroin. Im Vergleich mit anderen Schmerzmitteln sind Opiate und Opioide also diejenigen, welche die stärkste Wirkung zeigen. Der bei weitem überwiegende Teil von ihnen unterliegt daher der Betäubungsmittelverordnung. Die Wirkung der Mittel konzentriert sich dabei direkt auf das Zentrale Nervensystem.

Medikamentenabhängigkeit im Alter

Während unsere Gesellschaft für Themen wie Alkohol- und Drogenabhängigkeit mittlerweile sensibilisiert ist, ist das bei der Medikamentenabhängigkeit (vor allem im Alter) anders. Ihr Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial wird weitestgehend unterschätzt.

Bei der Medikamentenabhängigkeit ist besondere Aufmerksamkeit auf die Häufigkeit der Einnahme zu richten. Die individuellen Faktoren und die Verfügbarkeit erklären zwar die Entstehung der Abhängigkeit, jedoch nicht die Häufigkeit der Einnahme. Hier kommt die pharmakologische Wirkung ins Spiel. Diese wird vor allem durch biologische Vorgänge bestimmt. Im Mittelpunkt steht dabei die Toleranzentwicklung und Entzugssymptome, aber auch beim Absetzen auftretende Ursprungssymptome.

Ein problematischer Konsum von Medikamenten entwickelt sich grundsätzlich eher in einem späteren Alter. Medikamentenabhängige sind durchschnittlich älter als Alkohohlabhängige. Von einer Abhängigkeit betroffen sind dabei hauptsächlich Frauen. Auf vier abhängige Frauen kommt dabei nur ein Mann. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Medikamentabhängigkeit noch viel unauffälliger ist als eine Alkoholabhängigkeit. Die mit einer Medikamentenabhängigkeit im Alter verbundenen Folgen sind weniger offensichtlich. Der Medikamentenkonsum erfolgt oft heimlich, so dass selbst engste Bezugspersonen ihn nicht realisieren. Und wenn sind es ja Medikamente, Mittel, die uns helfen.

Benzodiazepine

Besondere Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit Medikamentenabhängigkeit im Alter, verdienen Psychopharmaka und in diesem Zusammenhang Benzodiazepine.In der Gesamtbevölkerung betrifft die Benzodiazepinabhängigkeit wahrscheinlich 1,1 Millionen Menschen. Bis zu 8% der Frauen, welche das siebzigste Lebensjahr bereits vollendet haben, bekommen Langzeitverordnungen für Benzodiazepine.

Für die Verschreibung von Benzodiazepinen gibt es viele unterschiedliche Indikationsgründe. Bei einer einmaligen oder kurzen Dauer der Einnahme wird dabei kaum bis gar kein Abhängigkeitsrisiko vermutet. Bei einer Einnahme über einen längeren Zeitraum als vier bis acht Wochen besteht die Gefahr eine Medikamentenabhängigkeit zu entwickeln.

Die Verordnungshäufigkeit hat sich zwar stark verringert seit das Abhängigkeitspotenzial bekannt ist, trotzdem sind Benzodiazepine immer noch die meist verordneten Psychopharmaka. In diesem Zusammenhang ist es außerdem irreführend, dass die Menge der Benzodiazepine in Verordnungsstatistiken der GKV zurückgeht. Die Privatverschreibungenliegen mittlerweile sogar über dem Anteil der Kassenverordnungen. Bei Medikamenten wirken sich die altersbedingten biologischen Veränderungen noch gravierender aus als bei Alkohol. Gerade bei der Verordnung von Benzodiazepinen im Alter muss aufgrund der Stoffwechselveränderungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten von einem erhöhten Risiko ausgegangen werden. So ist bei diesen Medikamenten die Halbwertzeit signifikant erhöht. Viele der verordneten Medikamente sind außerdem Mittel mit einer langen Wirksamkeit.

Eine starke Sedierung wird im Alter schon bei einer geringeren Medikamentenkonzentration im Blut erreicht. Auch gegenüber Beeinträchtigungen psychomotorischer Art ist die Toleranz reduziert. Bei den Benzodiazepinen kann es auch ohne eine Dosissteigerung zu einer Anhäufung des Wirkstoffes im Körper kommen. Problematisch ist auch, dass durch den verlangsamten Stoffwechsel eine Intoxikation unter Umständen erst Wochen nach einem Behandlungsbeginn auftreten kann. Die Symptome dieser Vergiftung werden dann aber nicht mehr notwendiger Weise mit dem Medikament in Zusammenhang gebracht. So wirken zum Beispiel Schlafmittel häufig noch morgens nach. In diesem Zusammenhang wird dann von einer erhöhten Neigung zu Stürzen berichtet. Anzuprangern ist auch, dass Dosierungen häufig nicht nach unten korrigiert werden, gerade bei untergewichtigen älteren Frauen, die Standarddosierung aber viel zu hoch für diese Zielgruppe ist. Allgemein kann es durch eine Einnahme der Mittel zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, Nachlassen sexueller Bedürfnisse, Muskelschwäche, Schwindelgefühl, Benommenheit und Kopfschmerzen kommen. Im Alter wird außerdem besonders häufig von Erregungszuständen berichtet.

Benzodiazepine ähneln in ihrer Wirkungsweise einigen anderen Substanzen, wie zum Beispiel Alkohol oder Barbituraten. Bei einer gemeinsamen Einnahme können sich die Stoffe dabei gegenseitig verstärken. Bei der Benzodiazepinabhängigkeit werden in der Literatur eine Reihe von Risikofaktoren erwähnt, welche das Auftreten einer Erkrankung wahrscheinlicher machen. Dazu gehören Menschen, welche bereits unter einer Suchterkrankung leiden, eine längere Dauer der Einnahme sowie eine höhere Dosis. Auch psychosoziale Belastungen und Erwartungen der Patienten an die Medikamente spielen eine Rolle. Nicht unterschätzen sollte man die Rolle der verordnenden Ärzte. Hausärzte1 spielen hierbei die größte Rolle. Hier wird bemängelt, dass Verschreibungen nicht ausreichend reflektiert, eine Indikation nicht gegeben ist, die Individualität der Patienten nicht berücksichtigt wird und kein Bewusstsein für die Gefahren vorhanden ist. Gefährlich ist auch, dass das Abhängigkeitspotenzial noch häufiger unterschätzt wird als bei Alkohol oder illegalen Drogen. Mit dem Alter steigt auch die Verordnungshäufigkeit von Benzodiazepinen. Frauen sind dabei signifikant häufiger betroffen.

Verschiedene Faktoren begünstigen eine Überdosierung von Benzodiazepinen auch von Seiten der Ärzte. Es gibt über 70 verschiedene Handelspräparate, welche auf über zwanzig verschiedenen Substanzen basieren. Die verschiedenen Indikationsgründe führen deshalb häufig zu einer mehrfach Verschreibung, weil der Arzt den Überblick über die Benzodiazepinpräperate verloren hat. Bei einer Einnahme, welche sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, kann es zu diversen Folgeschäden kommen. Diese fallen relativ gering aus, wenn ein niedriger Gebrauch vorliegt. Bei einer Abhängigkeit oder einem Missbrauch von höheren Dosen unterscheiden sie sich in ihrer Heftigkeit kaum von anderen Drogen. Eine Verminderung der Leistungsfähigkeit steht dabei im Mittelpunkt. Hinzukommen vor allem soziale Folgen. Eine Abnahme von sozialen Interessen und sexuellen Bedürfnissen, Beziehungs- und Bindungsprobleme können auftreten.

Formen der Medikamentenabhängigkeit von Benzodiazepinen

Bei der Benzodiazepinabhängigkeit wird zwischen drei verschiedenen Abhängigkeitsformen unterschieden. Die primäre Hochdosisabhängigkeit, die primäre Niedrigdosisabhängigkeit und die sekundäre Benzodiazepinabhängigkeit. Eine primäre Hochdosisabhängigkeit äußert sich durch eine starke körperliche und psychische Abhängigkeit. Im Mittelpunkt stehen die Dosissteigerung, eine Persönlichkeitsveränderung und ein hoher Schweregrad bei den Entzugssymptomen. Eine primäre Niedrigdosisabhängigkeit ist die häufigste Form der Benzodiazepinabhängigkeit. Es wird über einen langen Zeitraum eine niedrige Dosis eingenommen. Auch bei dieser Form kann ein plötzliches Absetzen des Medikaments zu starken Entzugssymptomen führen. Die sekundäre Benzodiazepinabhängigkeit ist ebenfalls eine oft anzutreffende Art der Erkrankung. Sie tritt bei Menschen auf, die verschiedene Drogen konsumieren, zum Teil auch bei trockenen Alkoholikern. Die Medikamentenabhängigkeit von Benzodiazepinen ist in diesen Fällen ein Nebenprodukt einer anderen Abhängigkeitserkrankung und hat sich in deren Verlauf entwickelt.

Benzodiazepine werden in der Regel, unter ärztlicher Betreuung, schrittweise abgesetzt. Längerfristig und regelmäßig eingenommen kann es zu Entzugserscheinungen wie Krampfanfällen, Depressionen; Ängsten und Zittern kommen. Häufig zeigen sich auch die für einen Entzug typischen Delirien und Psychosen. Entzugserscheinungen können zwischen einer und vier Wochen anhalten. Diese Entzugserscheinungen müssen allerdings nicht unbedingt eine Abhängigkeit anzeigen. Es kann sich auch um das wieder Auftreten der Krankheitssymptome handeln, gegen welche die Medikamente eingangs verschrieben wurden.

Schmerzmittel

Nicht vergessen sollte man im Zusammenhang mit Medikamentenabhängigkeit im Alter auch Schmerzmittel. Problematisch ist hier vor allem, dass der größte Teil des Schmerzmittelkonsums in Selbstmedikation erfolgt.

Problematisch ist vor allem, dass nicht nur körperliche sondern auch seelische Schmerzendurch die Schmerzmittel betäubt werden können. Negative Gefühle wie zum Beispiel Angst können leichter durch positive Gefühle ersetzt werden, allerdings kann dies in Ausnahmefällen auch umgekehrt der Fall sein. Das Erleben wird lustbetonter. Als Nebenwirkung können außerdem motorische Hemmungen, Bewusstseinsstörungen und akute psychische Veränderungen auftreten. Der Spielraum bei der Dosierung dieser Medikamente ist sehr eng, wodurch es schnell zu Überdosierungen kommen kann. Bei einer Vergiftung durch Morphin kann es im Zentralen Nervensystem zu einer Lähmung kommen. Wenn dabei das Atemzentrum betroffen ist, kann dies durch eine Atemlähmung zum Tode führen. Im Rahmen von ärztlichen Verordnungen kommt es kaum zu Folgeschäden durch Opioide. Bei einem anhaltenden chronischen Missbrauch sieht das allerdings anders aus. Es kann zu hirnorganischen Veränderungen und psychischen Veränderungen bis hin zur Psychose führen. Körperlich kann es ebenfalls zu schweren Folgeschäden kommen. Auch die Entzugssymptome, die auftreten, können unterschiedlichster Natur sein. Mit einer Gewöhnung an das Medikament geht oft auch ein Nachlassen des positiven Einflusses auf den Gemütszustand einher. Es kommt oft nur noch zu einer Trübung des Bewusstsein.

Bei einer Verordnung durch Mediziner war allerdings in Deutschland lange Zeit eine übermäßige Vorsicht an der Tagesordnung. Aus Angst vor einer möglichen Suchtentwicklung wurden Schmerzen oftmals unterversorgt.

Als Zusatzmittel in Schmerzmitteln (wie auch zum Beispiel in Erkältungsmitteln) wird manchmal Koffein verwendet. Hier geht man von einer Missbrauchfördernden Wirkung aus. Beim Absetzen der Medikamente kann es zu Entzugskopfschmerzen kommen.

Diagnose

Auch für die Medikamentenabhängigkeit im Alter gelten erstmal die unter dem Punkt Abhängigkeit beschriebenen Diagnosekriterien. Es ist allerdings schwierig bestimmte Formen, wie zum Beispiel eine Medikamentenabhängigkeit von einer niedrigen Dosis von Benzodiazepinen, der Medikamentenabhängigkeit nach den Diagnosekriterien der ICD-10 zu erfassen. Auch die Konsummuster und Abhängigkeitsverläufe von Betroffenen unterscheiden sich erheblich. Eine Diagnose ist häufig auch schwierig da Einnahmemenge und -dauer nicht von der Verordnung abweichen. Dabei zeigt die Praxis, dass eine Medikamentenabhängigkeit im Alter oft erst in einem sehr späten Stadium oder durch gleichzeitigen bzw. abwechselnden Konsum mit anderen Drogen erkannt wird.

Bei den Benzodiazepinen kann es, je nach Dosis auch zu Einschränkungen der Gedächtnisleistung, vor allem bei der Abspeicherung neuer Gedächtnisinhalt im Langzeitgedächtnis, kommen. Auch die Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit kann bei einer Einnahme stark eingeschränkt sein. Diese und andere Symptome, wie zum Beispiel die Auswirkungen auf die Koordinationsfähigkeit, können unter Umständen als Symptome einer dementiellen Erkrankung fehlgedeutet werden.

Medikamentenabhängigkeit in Alten- und Pflegeheimen

Zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen werden mit Tranquilizern oder Hypnotikern behandelt, wobei nicht unbedingt eine Korrelation mit einer medizinischen Indikation vorliegt. Es liegt nahe, dass Medikamente zur Ruhigstellung„störender“ Bewohner dienen. Unterstrichen wird dieser Verdacht durch den besonders hohen Verbrauch von Psychopharmaka in großen Heimen mit schlechter personeller Ausstattung.

Quellen:

Böning , Jobst/ et al. (1991):Medikamentenabhängigkeit. Eine Information für Ärzte.3. Hamm:DHS.
DHS, Deutsch Hauptstelle für Suchtfragen (2008a): „Schmerzmittel“. URL: http://www.dhs.de/makeit/cms/cms_upload/dhs/schmerzmittel.pdf [Stand: 6.12.2008]
DHS, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2008b): „Benzodiazepine“. URL: http://www.dhs.de/web/daten/DHS_Faltblatt_Benzodiazepine.pdf [Stand: 6.12.2008]
Fleischmann, Heribert (1999): „Suchtprobleme im Alter”. In: Gastpar, Markus/ Mann, Karl/ Rommelspacher, Hans (Hg.): Lehrbuch der Suchterkrankungen. Stuttgart: Thieme. 170-180.
Franke, Alexa et al.(2001): Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bei Frauen. Weinheim:Juventa.
Glaeseke, Gerd (1996): „Beruhigt bis zum Ende. Die Arzneimitteltherapie für ältere Menschen”. In: Sucht aktuell 3/96, 5-9.
Glaeseke, Gerd (2007): „Psychotrope und andere Arzneimittel mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial“. In Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren (Hg.): Jahrbuch Sucht 2007. Geesthacht: Neuland. 71-85.
Grond, Erich (2006): Kompendium der Alters-Psychiatrie und Alters-Neurologie für Altenpfleger/ innen. 4. Hannover: Brigitte Kunz Verlag.
Hein, Bernd/ Gehart Rosemarie (2007): Gesundheits- und Krankheitslehre. Altenpflege konkret.3.München: Urban & Fischer.
Mader, Petra/ Gaßmann, Raphael (2006): „Suchtprobleme kennen keine Altersgrenze“. In: ProAlter 1/2006, 7-15.
Mohn, Karin (2005): Medikamente. Basisinformation. Hamm:DHS.
Wolter-Henseler, Dirk et al. (1997): „ Sucht und Abhängigkeit im Alter“. In: Radebold, Hartmud et al. (Hg.): Depressionen im Alter. Darmstadt: Steinkopp. 266-279.

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert